Hex by Meyer Kai

Hex by Meyer Kai

Autor:Meyer, Kai [Meyer, Kai]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2013-01-17T16:00:00+00:00


Kapitel 5

Über dem Krater ging die Sonne auf. Am gegenüberliegenden Rand, in vielen Kilometern Entfernung, brachen sich die Strahlen auf der Eiskante und streuten Lichtspeere in alle Richtungen. Davor aber war das Land schwarz und ausgeglüht, und erst allmählich bildeten sich in Spalten und Vertiefungen neue Eiswehen. Es mochten noch Jahre vergehen, ehe die Natur die Wunde, die die Explosion in ihren Leib gerissen hatte, wieder zu schließen vermochte.

Sie hatten das Schlittengespann und seinen schweigsamen Inuit-Führer am Rande des Eises zurücklassen müssen und waren die restliche Strecke zu Fuß gegangen. Für die zwei Kilometer bis zum Zentrum des Kraters hatten sie drei Stunden gebraucht. Der Boden war zerklüftet und durchzogen von einem Netz schwarzer Risse. Haushohe Felsbrocken versperrten ihnen immer wieder die kürzeste Strecke und zwangen sie, weitläufige Umwege einzuschlagen. Das Gestein war uneben und übersät mit scharfen Kanten, die das Gehen zur Qual machten. Und zu allem Übel fauchte ein Polarwind über die Einöde, der wie Glasklingen durch ihre Fell- und Steppkleidung schnitt, ganz gleich, wie fest sie sich vermummten.

Max und Sina gingen voran und stemmten sich gegen die eisigen Böen. Legrand folgte ihnen mit einigem Abstand, das Gesicht unter seiner Kapuze zur Grimasse verzerrt. Er kämpfte nicht nur gegen das rauhe Gelände und die Kälte, sondern auch gegen den Schmerz in seinem Arm. Sina hatte ihm angeboten, die Wunde zu versorgen, aber das hatte er abgelehnt. Er könne sich selbst darum kümmern, hatte er gebrummt und kein Wort mehr über die Verletzung verloren. Und doch war ihm anzusehen, wie sehr er litt. Sina nahm an, daß die Wunde sich entzündet hatte. Nichts, das man leichtnehmen sollte, aber es lag ihr nicht, sich ihm aufzudrängen. Sollte er selbst sehen, wie er damit fertig wurde.

Der Fels unter ihren Füßen wurde immer schwärzer, je näher sie dem Mittelpunkt des Kraters kamen. Er lag nicht viel tiefer als seine Ränder, was dafür sprach, daß die Explosion in der Luft, nicht am Boden stattgefunden hatte. Die Hitze und Wucht der freigewordenen Energie hatte sich kreisförmig in alle Richtungen ausgebreitet, nicht steil nach unten. Darum war zwar das Eis geschmolzen, der Fels darunter jedoch kaum in Mitleidenschaft gezogen worden.

Verwunderlich war auch, daß die Kraterränder klar umrissen waren. Das Eis war während ihres Weges hierher nicht ganz allmählich dünner geworden, wie sie erwartet hatten, sondern scharfkantig abgebrochen, als hätte die Hitze der Explosion eine gewisse Grenze nicht überschreiten können.

Im Mittelpunkt des Einschlaggebietes lagen die Überreste des Luftschiffs weitverstreut zwischen den Felsen, wie verkohlte Knochen, die ein riesenhafter Aasfresser abgenagt und liegengelassen hatte. Die zerbrochenen Stahlstreben der Lufthülle sahen aus der Ferne aus wie die Rippen eines Giganten.

Betroffen und schweigend kletterten sie zwischen den Trümmern umher. Nur Metallteile waren übriggeblieben, und selbst davon nur ein Bruchteil. Die Explosion hatte das meiste zu Staub zerblasen.

»Wie sollen wir herausfinden, was geschehen ist?« schrie Max gegen den Wind an. »Kannst du unterscheiden, was davon zur Lessing gehört und was zu dieser verfluchten Scheibe?«

»Falls es sie überhaupt je gegeben hat.« Selbst Sina hatte ihren Elan verloren. Die grausame Witterung und der lange Marsch durch die Öde hatten ihre Kraft aufgezehrt.



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